Ausstellung vom 14. Juni 2013 bis 16. Oktober 2015.
In der Öffentlichkeit bekannt wurden die ›Mikrogramme‹ nach Robert Walsers Tod im Jahre 1956. Überliefert sind 526 Blätter unterschiedlicher Art und Größe, die entziffert fast viertausend Druckseiten ergeben und neben Prosastücken, Gedichten und dramatischen Szenen auch einen ganzen Roman enthalten. Entwickelt hatte der Autor sein ›Bleistiftsystem‹ in den Zwanzigerjahren in Bern. In einer abenteuerlich winzigen Schrift und mit Bleistift zu schreiben und dafür teilweise Makulatur zu verwenden, war Walsers Reaktion auf eine tiefgreifende Schreibkrise. So gelang es ihm, seinen ›Schreibfederüberdruß‹ zu überwinden.
Walsers Mikrografie mutet so befremdlich an, dass sie anfänglich für eine Geheimschrift gehalten wurde. Erst Jochen Greven (1932–2012), dann Bernhard Echte (geb. 1958) zusammen mit Werner Morlang (geb. 1949) lernten in jahrelanger Auseinandersetzung die spezielle Handschrift zu entziffern. Sie hatten erkannt, dass Walser sich der alten deutschen Schreibschrift bediente, diese jedoch durch extreme Verkleinerung sowie unsystematische Auslassungen und Verschleifungen stark modifizierte.
Texte, die Walser publizieren wollte – wie etwa Bleistiftskizze –, musste er in normaler Größe und mit Tinte ins Reine schreiben, damit Verleger, Redakteure und Setzer sie lesen konnten. Mit diesem ›Abschreibesystem‹ schlug Walser die Brücke zwischen seiner Schreibwelt und der Welt des Feuilletons.
Als eine der ersten posthumen Publikationen aus dem ›Bleistiftgebiet‹ erschien 1972 der berühmte ›Räuber‹-Roman, der 1925 an der Gerechtigkeitsgasse 29 in Bern entstanden war.
Sämtliche in der Ausstellung gezeigten Mikrogramme finden sich in dem Band: Robert Walser: Mikrogramme, nach der Transkription von Bernhard Echte und Werner Morlang, im Auftrag der Robert Walser-Stiftung Bern ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Lucas Marco Gisi, Reto Sorg und Peter Stocker. Berlin: Suhrkamp 2011.