Robert Walser (1878–1956) gehört zu den rätselhaftesten Schriftstellern seiner Zeit. Geboren in Biel (Schweiz), absolvierte er nach der Schulzeit eine Banklehre. Erste Gedichte erschienen 1898, was ihm den Zutritt zu den literarischen Kreisen Münchens verschaffte.
Mit seinen drei Romanen Geschwister Tanner (1907), Der Gehülfe (1908) und Jakob von Gunten (1909) erzielte er zwar einen Achtungserfolg, konnte sich im literarischen Leben von Berlin, wo er seit 1905 lebte, jedoch nicht durchsetzen. Im Gefühl, gescheitert zu sein, kehrte Walser 1913 in seine Heimatstadt Biel zurück.
Im Dienstbotentrakt des Hotels Blaues Kreuz mietete er sich eine Dachkammer und schuf dort unter äußerst ärmlichen Bedingungen eine große Zahl von Kurzprosatexten. In Schweizer Verlagen erschienen Prosastücke (1916/17), Kleine Prosa (1917), Poetenleben (1917/18) und Seeland (1920). Als Hauptwerk dieser Zeit gilt Der Spaziergang (1917). Der ebenfalls in Biel entstandene Roman Tobold blieb ungedruckt und ist heute ebenso verschollen wie ein späterer mit dem Titel Theodor.
Ab 1921 lebte Walser in Bern, wo er häufig umzog. Er veröffentlichte weiterhin im Feuilleton, konnte jedoch, abgesehen von der Buchsammlung Die Rose (1925), keine Bücher mehr publizieren. Zahlreiche Texte, darunter der Räuber-Roman, haben sich nur in sogenannten Mikrogrammen erhalten. Es handelt sich dabei um ein große Zahl randvoll gefüllter Blätter mit Texten, die in winziger, fast unlesbarer Bleistiftschrift niedergeschrieben wurden – anfänglich hielt man diese für eine Geheimschrift.
Nach einer psychischen Krise kam Walser Anfang 1929 in die Heil- und Pflegeanstalt Waldau in Bern, 1933 in die Heil- und Pflegeanstalt Herisau (Appenzell). Dort stellte er das Schreiben ein und lebte noch 23 Jahre als fast vergessener Autor.
Walser starb am Weihnachtstag 1956 auf einem einsamen Spaziergang im Schnee. Obwohl von Autoren wie Hermann Hesse, Kurt Tucholsky, Robert Musil, Franz Kafka und Walter Benjamin hoch geschätzt, blieb Robert Walser Zeit seines Lebens bei einem breiteren Publikum verkannt. Heute gilt er als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts.
Für weiterführende werkbiografische Informationen siehe:
Susan Bernofsky: Clairvoyant of the Small. The Life of Robert Walser. New Haven; London: Yale University Press 2021.
Lucas Marco Gisi (Hg.): Robert Walser-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler 2015.
Bernhard Echte (Hg.): Robert Walser. Sein Leben in Bildern und Texten. Frankfurt: Suhrkamp 2008.
Robert Mächler: Das Leben Robert Walsers. Eine dokumentarische Biographie. Frankfurt: Suhrkamp 1966/2003 (st; 3486).