Die Eltern Elisa und Adolf lernen sich Ende des 19. Jahrhunderts im aufstrebenden Biel kennen. Elisa Marti (1839-1894) stammt aus einem Bauerngeschlecht im bernischen Emmental. Ihr Vater stirbt vor ihrer Geburt; sie und ihre zwei Geschwister Verena ›Fanny‹ und Johann wachsen als Halbwaisen auf. Ab 1861 ist die Familie in Biel gemeldet: Die Tochter Fanny heiratet den vermögenden Eisenwarenhändler Johann David Rummel. Elisa hilft ihrer Schwester fortan im Haushalt, Fanny wird bei Hermanns Taufe als Zeugin anwesend sein. Adolf Walser (1833-1914), Sohn des radikal-demokratischen Theologen und Publizisten Johann Ulrich Walser aus Teufen im Kanton Appenzell Ausserrhoden, lernt u. a. in Paris das Buchbinderhandwerk und lässt sich 1864 in Biel nieder, wo er ein Geschäft mit Werkstatt für Papeteriewaren und Bilderrahmen eröffnet.
Elisa und Adolf heiraten 1868 im Alter von neunundzwanzig und fünfunddreißig Jahren und haben acht Kinder: Adolf Emil (1869-1884) stirbt mit fünfzehn Jahren; Hermann (1870-1919) wird Professor für Geografie; Oscar (1872-1959) lebt in Basel und bei Lugano als Prokurist; Ernst (1873-1916), Sekundarlehrer, ist ab 1898 in der psychiatrischen Klinik Waldau bei Bern interniert; Elisa ›Lisa‹ (1875-1944), Primarlehrerin, arbeitet in Bellelay im Schweizer Jura; Karl (1877-1943) wird in Berlin ein erfolgreicher Bühnenbildner und Maler; Robert (1878-1956), wohnt nach Jahren in Berlin als Schriftsteller in Biel und Bern; Fanny (1882-1972), Zahntechnikerin in Bern, lebt längere Zeit in Lettland.
Die Familie Walser ist durch das Buchbinderei-Geschäft des Vaters und die Ambitionen der Mutter kultur- und bildungsaffin und versteht sich als aufstrebendes Mitglied des Bieler Bürgertums. Von den meisten der Geschwister ist eine kreative Ader und eine Affinität zu Literatur, Musik und Kunst belegt; alle nehmen Klavierunterricht. Eine Freundin von Lisa schildert den Haushalt als liebevoll, aber steif; Lisa muss dem Besuch jeweils auf dem Klavier vorspielen.
Allerdings läuft das Geschäft des Vaters immer schlechter, wiederholt muss er das Lokal wechseln, das Sortiment verbreitert er zu einer Gemischtwarenhandlung. Die Familie verlässt 1885 das großzügige Haus an der Nidaugasse. Während Hermann und Ernst mit Hilfe von Stipendien noch das Gymnasium besuchen können, absolvieren die jüngeren Geschwister eine Berufslehre. Der Tiefstand ist erreicht, als Adolf Walser sich 1889 von der Stadt Biel ein Leumundszeugnis ausstellen lassen muss, in dem diese potentiellen Arbeitsgebern »sowohl ihn, wie seine erwachsenen Kinder für eine allfällige Anstellung aufs Wärmste« empfiehlt.
Abbildung: Das Medaillon (64,5 x 52,5 cm) der Familie Walser, das im Robert Walser-Archiv des Robert Walser-Zentrums liegt, muss zwischen 1878 und 1882 entstanden sein, da Fanny, die Jüngste, auf dem Bild fehlt. Oben Adolf jun. (Mitte), Hermann (rechts) und Oscar (links), in der Mitte, Lisa flankierend, die Eltern Elisa und Adolf, unten Karl (links), Robert (Mitte) und Ernst. Die floralen Ornamente bestehen, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, aus Echthaar.
Aus: Hermann Walser, Geograf. Herausgegeben von Reto Sorg und Jeannine Wintzer. Schriften des Robert Walser-Zentrums 6, Bern 2022, S. 11-15
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