Robert Walser schrieb jahrzehntelang für Tageszeitungen, Literatur- und Kunstzeitschriften, für Illustrierte, Modeblätter und Sportmagazine von Bern bis Berlin, von Prag bis Wien. Es fehlte nicht an Redaktionen, die Gefallen an seinen Feuilletonbeiträgen fanden. Walser schrieb abwechslungsreich, beherrschte viele Textgenres und pflegte einen charakteristischen Stil. Wie entwickelte sich seine Feuilletonproduktion in quantitativer Hinsicht? Wie viele Feuilletontexte hat er in welchem Jahr publiziert? Darüber gibt das Diagramm auf dieser Page Auskunft. Die Verteilung der Texte auf der Zeitachse schwankt zwischen den Tiefwerten (6, 7, 7, 5, 6, 1, 0, 8, 9, 10, 10, 6, 1, 1, 1) und den Spitzenwerten (44, 57, 57, 75, 98, 81, 71). Diese Zick-Zack-Linie lässt sich als Abfolge von drei Hauptzyklen (Baisse – Hausse – Baisse), einem Zwischenzyklus (kleine Hausse) und einer Coda interpretieren.
Zyklus 1898-1909
Der Höhepunkt liegt im Jahr 1907, die Produktion nimmt allmählich zu und fällt relativ schnell zurück. In diesem Zyklus etabliert sich Walser als Feuilletonist, seine Publikationsbasis verbreitert sich, er hat Zugang zu fünfzehn Zeitungen und Zeitschriften. Die tiefen Werte in den Jahren 1903 bis 1906 lassen sich dadurch erklären, dass Walser zuerst vorübergehend vom Schriftsteller- zurück in den Brotberuf wechselt und sich später auf das Schreiben von drei in schneller Folge erscheinenden Romanen konzentriert.
Zyklus 1909-1917
Der Höhepunkt liegt in den Jahren 1914 und 1915. Die Produktion nimmt allmählich zu, wird über den vorangehenden Topwert gesteigert, bleibt eine gewisse Zeit auf dem neuen Topwert und fällt dann relativ schnell zurück, wie im Zyklus davor. Die kleine Verzögerung im Aufschwung lässt sich als Auswirkung einer Orientierungskrise deuten: Was und für wen sollte Walser schreiben? Weiterhin auch für den Buchmarkt? Oder ausschliesslich für das Feuilleton? Ausgelöst wurde diese Unsicherheit durch den bescheidenen Erfolg des Jakob von Gunten (1909), sowie durch Walsers Rückkehr aus Berlin (1913). Hier muss er sich neu positionieren, was ihm schnell gelingt.
Zwischentief 1917-1923
Die Werte dieser Jahre liegen in einem vergleichsweise engen Band, der Höchstwert liegt unter den bisherigen Spitzenwerten. Walsers Feuilletongeschäfte laufen jahrelang nur mittelmässig, die Wirtschaftslage ist schlecht. Walser verliert bewährte Abnehmer, die Zusammenarbeit mit neuen Abnehmern ist nicht von Dauer. Die Honorare stagnieren, oder sie sind wegen der Hyperinflation im Deutschen Reich wertlos. Walser schliesst nicht aus, den Schriftstellerberuf aufzugeben, und flüchtet ein letztes Mal für kurze Zeit in eine geregelte Erwerbstätigkeit.
Zyklus 1923-1934
Walser fühlt sich ausgebrannt, er versucht trotzdem, so viel wie möglich zu schreiben und ist äusserst produktiv. Das immense und durch sprachspielerische Extravaganz gekennzeichnete Spätwerk entsteht. Dank der Prager Presse, die grösste Aufnahmebereitschaft beweist (199 Einzeltexte), kann Walser einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Spätwerks publizieren. Der andere und deutlich grössere Teil ist nur als Nachlass in Form von Mikrogrammen und einigen nicht eingereichten Reinschriften überliefert. Die Kulminationsphase dauert an bis ins Jahr 1928. Walser ist fünfzig Jahre alt. Er bricht psychisch zusammen und lässt sich in eine psychiatrische Anstalt einliefern. Dort setzt er seine schriftstellerische Tätigkeit zunächst fort.
Coda 1934-1948
Nachdem Walser das Schreiben und Publizieren definitiv aufgegeben hat, erscheinen ab 1934 nur noch Texte, die er davor niedergeschrieben hat und die im Wesentlichen auf Redaktionen liegengeblieben bzw. als Vorrat beiseitegelegt und dann hervorgeholt worden sind. Die Diagramm-Kurve fällt auf die Null-Achse.
